Georgien – eine Leihgabe Gottes?
Nachdem der liebe Gott die Erde erschaffen hat, bestellte er alle Völker zu sich und gab jedem Volk ein Land. Nach drei Tagen, als alles erledigt und verteilt war, erschienen die Georgier, entschuldigten sich wortreich und erklärten, sie hätten just beim geplanten Aufbruch einen unerwarteten Gast bekommen und diesen anständig bewirten wollen, so sei es bei ihnen Brauch. Der liebe Gott bedauerte, er hätte eigentlich kein Land mehr zu vergeben, doch er hege großes Verständnis für das Versäumnis der Georgier und wolle sich ihrer erbarmen. Es gäbe da noch ein Flecklein Erde im Süden des Kaukasus, derart schön und wohlgestaltet, dass er, der liebe Gott, es für sich selber zurückbehalten möchte, doch nun wolle er eine Ausnahme machen und schenkte ihnen dieses Land, fortan Georgien genannt.
Georgisches Tagebuch
Sonntag, 22. 6. 2008
Ankunft in Tiblissi gegen 5.45 Uhr mit 2 Stunden Zeitverschiebung. Giorgi holt uns mit einem privaten, gasbetriebenen Taxi ab. Auf der Fahrt gutes Wetter, Begrüßung im Haus durch den Vater. Giorgi hat für uns das Wohnzimmer renoviert und das Bad völlig neu installiert. Nach einem Frühstück schlafen wir bis gegen Mittag. Nato, die Schulleiterin kommt und bringt Essen mit. Am Nachmittag besichtigen wir das Schloss und das Heimatmuseum. Nach einem heftigen Gewitter ist es trüb und frisch. Giorgis Freunde stellen sich vor, wir schwatzen im Hof mit ihnen. Nach dem Abend essen gehen wir sehr bald schlafen. Es gab Käse und Büffeljoghurt aus Odlissi, sowie Weißbrot aus dem Backkrug. Die Nachbarin brachte Pfirsichmarmelade für uns. Gegen Abend gibt es kein Wasser, ein Normalzustand in Telavi.
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Urlaub in Georgien. Die Lust auf mehr!
Eintauchen in eine andere Welt – ein paar Tage in Georgien.
Mitten in der Nacht in Telavi angekommen. Der erste Blick im Hellen ist erschreckend. Kein Strommast steht gerade. Wilde angeflanschte Kabel führen über abenteuerliche Wege zu den Häusern. Straßen mit tiefen Schlaglöchern. Bürgersteige, soweit vorhanden, fortdauernde Stolperfallen. Neubauten schon vor der Fertigstellung defekt. Treppenstufen ohne Maß. Kein Verhältnis zum Müll. Aber die Herberge sauber, mit kleinem Garten und wirklich freundlichen Besitzern. Reichhaltiges, wechselndes Frühstück. Ebenso das Abendessen mit einem hervorragenden Wein.
Langsam verliert sich der vergleichende Blick mit unserer gewohnten Umgebung zu Hause. Neben dem Kontakt zu unseren Herbergseltern lernen wir weitere Menschen kennen. Überall begegnen wir Menschen, die uns das Gefühl vermitteln, wir seien ihnen wichtig. Keine Anmache, kein Betrug. Niemand stellt sich in den Weg und will Gürtel verkaufen, in ein Restaurant lotsen oder einen Nightclub anpreisen. Wir fangen an genauer zuzuhören und begreifen dass hier, 7 Jahre nach dem Krieg gegen Russland, die Aufbauarbeit stattfindet. Dass nach jahrzehntelanger Unterdrückung die kulturelle und politische Identität einen wichtigen Stellenwert hat.