
Bericht von der Veranstaltung:
Am Sonntag, den16. März, fanden sich etwa 70 Leute im NFH „Am Poloplatz“ ein, um die von der AG Frieden der Naturfreunde aufwändig organisierte Polit-Matinee zum Thema mitzuerleben, wie der Frieden in der Welt am besten gesichert werden kann, ob mit oder ohne Waffen. Sowohl die hohe Aktualität und Brisanz des Themas als auch die Prominenz der eingeladenen Diskutanten werden dazu beigetragen haben, dass nur eine enge Kinobestuhlung das erschienene Publikum fassen konnte.
Zwar musste die bereits zugesagte Deborah Düring aus Frankfurt, Mitglied im Bundestag der jüngeren Generation, u.a. Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und außenpolitische Sprecherin der Fraktion der Grünen, aus nachvollziehbaren Gründen wegen kurzfristig einberufener Sitzungen in Berlin absagen, dafür konnte die AG Frieden aber mit Markus Bocklet, Mitglied des Hessischen Landtages, auf die Schnelle eine Stellvertretung gewinnen, die, wie sich zeigte, die aktuelle friedenspolitische Position der Grünen ebenfalls mit großer Überzeugung vertrat. Für seine kurzfristige Bereitschaft einzuspringen, wurde ihm besonders gedankt.
Die klare Gegenposition für eine Friedenssicherung ohne Waffen vertrat ebenso vehement Dr. Bruno Kern aus Mainz, Pazifist mit Theologie- und Philosophiestudium, der u.a. als Autor mehrfach zum Thema publiziert hat und sich darüber hinaus als Gründungsmitglied der Initiative und des Netzwerkes Ökosozialismus auch in seiner politischen Praxis für das Zusammendenken von Frieden und Ökologie stark macht.
Moderiert wurde die Diskussion von Wigbert Tocha, Autor und Sozialphilosoph, der u.a. wie Bruno Kern auch bei der kritisch-christlichen Zeitung Publik-Forum mitwirkt. Seine moderierende Einwirkung war bei der teilweise hochemotional geführten Diskussion immer wieder mal erforderlich und er überzeugte dabei durch seine besonnene Art und seine inhaltlich fokussierenden Fragestellungen. Wigbert Tocha machte zu Beginn klar, dass die Thematik eng entlang des Ukrainekriegs behandelt werden sollte, obwohl es natürlich zahlreiche weitere militärisch ausgetragene Konflikte in der Welt gleichzeitig gibt.
In der ersten Stunde, die der ausschließlichen Positionierung der eingeladenen Referenten gewidmet war, prallten die beiden Positionen relativ deutlich aufeinander. Markus Bocklet, der eingangs auf seine Vergangenheit als Wehrdienstverweigerer und Pazifist verwies, begründete seinen Sinneswandel - und damit auch den der Partei „Die Grünen“ - mit der auch von ihm so empfundenen Zeitenwende nach dem Angriff der russischen Armee auf die Ukraine und dann noch mal besonders mit der durch die Regierung Trump erfolgten Aufkündigung des militärischen Schutzes für Europa durch die USA. Er berief sich darüber hinaus auf die Ansicht von militärischen Experten, dass die deutschen und auch die europäischen militärischen Arsenale und Truppen nicht ausreichend gerüstet sein, um eine Abschreckungsfunktion wirksam ausüben zu können. Daher unterstütze er die massiven Aufrüstungspläne, die derzeit diskutiert werden. Gleichzeitig hoffe er in der aktuellen Situation auf einen raschen Waffenstillstand mit anschließenden Verhandlungen, die eine für die Ukraine tragfähige langfristige Lösung brächten.
Bruno Kern betonte unter mehrfachen Rückgriffen auf die Geschichte, aber vor allem auch die konkrete Vorgeschichte des Konflikts die Verantwortlichkeit des Westens, also der USA und Europas, für die Eskalation des Konflikts und betonte, dass eine dauerhafte Lösung nur möglich sei, wenn die Positionen und Motive beider Seiten, also auch der russischen, einbezogen würden. Dies gelte eben auch unabhängig davon, ob man die Motive des Gegenüber gutheißen könne oder nicht. Ziel sei eine rasche Deeskalation der militärischen Konfrontation durch offene Gesprächsbereitschaft, wofür es im Laufe der Auseinandersetzung vor allem am Anfang deutlich Gelegenheit gegeben habe. Noch weitergehend setzte er sich für den Ersatz militärischer Gegenwehr durch Konzepte des zivilen Ungehorsam und Widerstands ein, für die er Beispiele nannte. Die sich gegenwärtig abzeichnende Entwicklung zu einer verbreiteten Militarisierung der Gesellschaft und Hochrüstung der Waffenarsenale, die er vor allem hier im Westen festmachte, halte er für eine hochgefährliche Entwicklung, die Krieg nicht unwahrscheinlicher, sondern wahrscheinlicher mache.
Neben diesen erwarteten Kontroversen in der Einschätzung der internationalen Lage und der erforderlichen Maßnahmen zur Friedenssicherung wurden aber auch einige Einschätzungen sichtbar, die eine gewisse Basis der Übereinstimmung zeigten, die in weiteren Detaildiskussionen vertieft werden könnten. Es bestand nicht nur Übereinstimmung, dass Klima- und Umweltschutz und Kriegführung sich widersprechen, sondern auch schon Aufrüstung und Klimaschutz. Deshalb müsse es im Prinzip immer um den Vorrang von Diplomatie und friedenssichernden Abkommen gehen. Dabei sahen beide in der UNO eine internationale Instanz, die hierzu nicht nur moderierend, sondern auch führend beitragen sollte. Beide hoffen auf einen raschen Waffenstillstand, der dann zu diplomatischen Initiativen führen sollte. Allerdings herrschten unterschiedliche Einschätzungen zur Bereitschaft beider Seiten für diesen Weg. Während Bruno Kern die NATO-Doktrin zur Sicherung der Zugangs zu Ressourcen und Welthandel als zentrales Hindernis für eine friedliche Koexistenz sieht, verwies Markus Bocklet auf Konzepte aus dem Umfeld der russischen Regierung, die die jetzt selbständigen Länder der ehemaligen Sowjetunion durch gross-russische Bestrebungen bedrohe.
Bei der anschließenden Öffnung der Diskussion für das Publikum gab es eine enorm rege Beteiligung, wobei davon auszugehen ist, dass viele aus dem Publikum angesichts des Andrangs eigene Ambitionen zur Meldung zurückgezogen haben. Die Vielfalt der Stellungnahmen und Fragen machten deutlich, dass auch im Publikum unterschiedliche Einschätzungen geteilt wurden und dass diese Veranstaltung den Zweck erfüllte, Menschen mit divergierenden Meinungen zur Friedenssicherung ins Gespräch zu bringen. Allerdings reichen zwei Stunden dann doch nicht aus, um einzelne Detailthemen und Fragestellungen auch in die Tiefe und im Wechselgespräch zu verfolgen.
So ist diese Veranstaltung ein anregender und erregender Anfang für eine Auseinandersetzung über Friedenssicherung gewesen, bei der man sich austauscht und immer wieder auch gegenseitig zuhört. Aber eben nur ein Anfang.
Alexander Botte