Senegal
Der politische Aspekt der Naturfreunde-Bewegung
Die NaturFreunde-Bewegung kämpft seit ihren Anfängen 1895 in Wien für Gerechtigkeit und eine Verbesserung der Lebensbedingungen. Ihr Ziel war es zunächst, dass Arbeiter*innen, ebenso wie andere Bevölkerungsschichten, freien Zugang zur Natur haben.
Dies war zur damaligen Zeit keine Selbstverständlichkeit. Der typische Ausdruck „Berg Frei” stammt aus dieser Zeit und steht für die Forderung nach einem freien Zugang zu den Bergen. Was ist davon nach 123 Jahren geblieben?
Heute ist die NaturFreunde-Bewegung weltweit verbreitet und dass mit recht unterschiedlichen Ausprägungen. Eine Organisation, die aus meiner Sicht sowohl den umwelt- als auch gesellschaftspolitischen Anspruch der Gründerjahre geerbt hat, sind die NaturFreunde in Deutschland. Die erste Gruppe in Deutschland gründete sich 1905, nur zehn Jahre nach den NaturFreunden in Wien. Seit über 90 Jahren gibt es zudem eine eigenständige Jugendorganisation.
In enger Verbundenheit mit der Sozialdemokratie durchlebten die deutschen NaturFreunde beide Weltkriege. Sie lehnten die menschenverachtende Ideologie des Faschismus im zweiten Weltkrieg ab und zahlreiche Mitglieder leisteten auch aktiven Widerstand. Als Organisation waren sie bereits ab 1933 verboten und ihre NaturFreundehäuser wurden enteignet. Unzählige NaturFreunde überlebten diese Jahre nicht. 1945 wurde der Verband je-doch wiedergegründet und hatte Personen wie Herbert Frahm als Mitglied, der später unter dem Namen Willy Brandt Vorsitzender der SPD und Bundeskanzler wurde. Auch heute gibt es viele NaturFreund*innen als Parlamentarier im Bundestag.
Während meines Besuches erlebte ich diese Vertretung in der Politik als eine Quelle der politischen Kraft. Sie führt dazu, dass die deutschen NaturFreunde noch immer viele Regierungsentscheidungen in Frage stellen, die schädlich für Umwelt und Gesellschaft sind. Sehr bedeutsam für politische Entscheidungen in Deutschland ist zudem das zivilgesellschaftliche Engagement. Durch Demonstrationen und Aktionen setzen sich die NaturFreunde konstant für mehr Umweltschutz und soziale Belange ein. Nach dem Reaktorunglück in Fukushima im Jahre 2011 spielten sie zum Beispiel eine wichtige Rolle im Kampf gegen die weitere Nutzung der Kernenergie. Die damalige Bundesregierung entschied noch im selben Jahr, dass alle Atommeiler bis 2022 schrittweise abgeschaltet werden sollen.
Im Gegensatz dazu sind wir als Natur-freunde im Senegal, auch genannt Association Sénégalaise des Amis de la Nature (ASAN), wenig politisch. Diese apolitische Ausrichtung, welche die Logik der Bewegung in Wien und Deutschland durchbricht, lässt sich meiner Meinung nach mit der fast 80 Jahre späteren Gründung, im Jahr 1983, erklären. Auch der Entstehungskontext war ein ganz anderer. Im Mittelpunkt stand nicht der Klassenkampf in einer Gesellschaft, in der der Zugang zur Natur nur einer bürgerlichen Minderheit vorbehalten war, sondern der Schutz der Natur gegen den gänzlich freien Zugang. Dieser führte nämlich zu Raubbau und zur Zerstörung der Natur. Die Aktivitäten im Senegal entstanden dabei vollkommen unabhängig von der Bewegung in Europa. Erst einige Jahre später, im Jahr 1996, begannen ein Kontakt und eine Integration von ASAN in die Naturfreunde Internationale.
Trotz dieses Anschlusses an die internationale Naturfreunde-Bewegung und der Veränderungen, die dadurch bei ASAN entstanden, erlebe ich ASAN noch immer unpolitisch. Im Mittelpunkt steht ein partizipativer Ansatz, der sich durch Aktionen und ein großes ehrenamtliches Engagement auszeichnet. In unseren Hochschulgruppen engagieren sich beispielsweise zahlreiche junge Menschen und organisieren unter anderem Bildungsangebote, Baumpflanzungen oder Müllaufräumaktionen. Bewusstseinsbildung, Ausbildung, ein nachhaltiger Tourismus sowie die Erhaltung der biologischen Vielfalt und der lokalen Arten stehen im Vordergrund. Zusätzlich streben wir starke nationale und internationale Partnerschaften an.
von Youssoupha Traore