Bericht zur digitalen Matinee "Seenotrettung"
Sonntag, den 31. Januar 2021
Wesam Alfarawti, Naturfreund und Aktivist, war am 31.1.2021 zu Gast bei der politischen Matinee der NaturFreunde Frankfurt. An der digitalen Veranstaltung haben 16 Personen teilgenommen.
Wesam ist Trainer in der politischen Bildung für das Thema Flucht und Migration bei der Europäischen Jugendbildungs- und Begegnungsstätte Weimar und er ist seit 2017 Aktivist bei Sea-Watch. Wesam, der selbst als Flüchtling von Syrien nach Deutschland gekommen ist, hat eine Zeitlang in der Flüchtlingsunterkunft gegenüber dem NaturFreundehaus „Am Poloplatz“ gelebt. Hier entstand der Kontakt zwischen den NaturFreunden und Wesam.
Wesam schildert die unmenschliche Situation in Libyen, dem häufigsten Transitland auf dem Weg nach Europa. Menschen, die vor einer hoffnungslosen Situation in ihrem Heimatland fliehen, werden in Internierungslagern festgehalten, wo sie ohne Schutz Gewalt, Versklavung und Folterung ausgesetzt sind. Nur die Flucht über das Mittelmeer bietet die Chance dieser Hölle zu entkommen. Auf dem Weg über das Mittelmeer werden die instabilen und überfüllten Flüchtlingsboote durch gefährliche Manöver der libyschen Küstenwache in Bedrängnis gebracht und aus europäischen Such- und Rettungszonen zurück nach Libyen verschleppt. Menschen springen in Panik aus den Booten und ertrinken. Wesam der diese „Hölle“ in Libyen 2014 selbst erlebt hat, schildert, dass Menschen lieber sterben, als in den unmenschlichen Lagern zu verbleiben oder dorthin zurückgeführt zu werden. Empörend und beschämend ist, dass die EU dieser Situation zusieht und die Lager und die libysche Küstenwache mitfinanziert. Die EU hat die eigene Seenotrettung eingestellt, da sie die geretteten Flüchtlinge nicht in unsichere Länder wie Libyen zurückbringen dürfte. Um den sogenannten „Schutz der Außengrenzen“ gegenüber den Geldgebern nachweisen zu können, werden auch Boote mit Flüchtlingen unter den Augen der libyschen Küstenwache aufs Meer geschickt, um sie dann wieder zurückzuholen. Ein menschenverachtendes und kriminelles System – finanziert von der EU!
Wesam schildert die Arbeit von Sea-Watch. Nach mehreren Wochen Vorbereitungszeit sind die Rettungsschiffe in der Regel vier Wochen im Einsatz auf dem Mittelmeer. Inzwischen hat die Organisation ein Flugzeug, das aus der Luft ortet, wenn Menschen in Seenot sind und die Infos an die zivilen Rettungsschiffe weitergibt. Von Seiten der libyschen Küstenwache gibt es immer wieder Einschüchterungsversuche gegenüber den zivilen Seenotrettungsorganisationen z.B. durch gefährliche Manöver und Schusswaffengebrauch. In der EU werden zivile Rettungsorganisationen kriminalisiert, Schiffe werden festgesetzt und die Crew wird mit Gerichtsprozessen und angedrohten Haftstrafen an ihrer Arbeit gehindert. Das Anlegen der Schiffe mit geretteten Flüchtlingen an Bord in einem europäischen Hafen wird tage- oder wochenlang verzögert und erschwert.
Die Teilnehmer*innen an der politischen Matinee haben diskutiert, was man als Organisation, als Einzelner, tun kann – außer an die Flüchtlingsinitiativen und Rettungsorganisationen zu spenden - um zu zeigen, dass man mit dieser unmenschlichen Flüchtlingspolitik nicht einverstanden ist und dass sie im Sinne der universellen Menschenrechte beendet werden muss. Die NaturFreunde haben sich bereits in den letzten Jahren mit Angeboten im NaturFreundehaus und für die Unterbringung von obdachlosen Flüchtlingen engagiert. Aufgrund der Corona-Pandemie konnte vieles nicht mehr stattfinden. Angedacht ist es - sobald wie möglich – in Kooperation mit der Flüchtlingsunterkunft der Diakonie am Poloplatz - für Kinder „Lesepatenschaften“ anzubieten. Wesam regt an, die Geflüchteten zu fragen, welche Unterstützungsangeboten sie sich wünschen. Auf politischer Ebene sollten wir den anstehenden Kommunal- und Bundestagswahlkampf nutzen, um Druck auf Parteien und Kanditat*innen für eine humane Flüchtlingspolitik zu machen. Anknüpfen können wir an unser Schreiben an den Oberbürgermeister Peter Feldmann, Frankfurt zu einem „sicheren Hafen“ zu erklären. Auch wenn Peter Feldmann sich dafür ausgesprochen hat, gibt es dazu keinen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung. Wir sollten unsere bisherigen Kontakte mit Flüchtlingsinitiativen, wie z.B. „Seebrücke“ nutzen, um gemeinsame Aktionen abzustimmen. Auch den Internationalen Tag gegen Rassismus im März bietet die Möglichkeit auf die menschenunwürdige Flüchtlingspolitik aufmerksam zu machen. Abschließend wurde vereinbart, dass die Teilnehmer*innen sich noch einmal digital treffen, um zu besprechen, wie der Bundestagswahlkampf genutzt werden kann, um sich für eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik einzusetzen.
Ideen sind erwünscht und können an Vorstand der NaturFreunde Frankfurt am Main geschickt werden: info@naturfreunde-ffm.de
Siehe auch die Rede von Wesam auf der Parade „United against racism“ am 29. September 2019 in Hamburg unter der Rubrik „Solidarisch mit Geflüchteten“
Nachfolgend einige links zum Thema:
https://ejbweimar.de/de/mfj/trainer-innen-in-ausbildung/
https://www.fluechtlingsrat-thr.de
https://www.unher.org/dach/de/